17.05.2009
EU-Kommission will Kennzeichnungspflicht für Waren mit RFID-Chips .
Von der Wirtschaft allseits gepriesen, von Datenschützern kritisch beäugt: Intelligente RFID-Funkchips sind auf dem Vormarsch.
Die EU-Kommission sorgt sich um den Datenschutz der Bürger und will den heimlichen Einsatz von "Schnüffelchips" verhindern.
Das Haltbarkeitsdatum der Milch ist abgelaufen? Joghurt und Butter sind schon wieder alle? Auch Wurst und Käse reichen nicht mehr lange? Im Haushalt von morgen kein Problem.
Denn der moderne Kühlschrank weiß, was in ihm steckt. Ein Lesegerät in seinem Inneren und Funkchips auf den Verpackungen sollen künftig dafür sorgen, dass er immer gut gefüllt ist.
Alltagsgegenstände werden klug
Der Kühlschrank der Zukunft ist intelligent - dank moderner Funkchip-Technik.
Mit seinem Lesegerät liest er die Funketiketten auf den Lebensmitteln und warnt seinen Besitzer, wenn die Milch sauer wird oder die Butter zur Neige geht.
Schöne neue Funkchip-Welt?
Ja, sagt Viviane Reding, EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien.
"Als vielversprechende Technologie der Zukunft können RFID-Chips das Leben in vielerlei Hinsicht leichter machen."
Über sechs Milliarden dieser kleinen Speicherchips sind schon in Umlauf, schätzt die EU-Kommission.
Sie sind in Ausweisen enthalten, befinden sich in Eintrittskarten oder werden in ihrer einfachsten Variante als Diebstahlsicherung auf Kleidungsstücken angebracht.
Kommen diese funkenden "Strichcodes des 21. Jahrhunderts" in die Nähe eines speziellen Lesegeräts, werden ihre Daten ausgelesen - automatisch und berührungslos, ohne dass der Nutzer etwas merkt.
Der Nutzen der neuen RFID-Technik für den Verbraucher liegt auf der Hand.
Die Gegenstände des Alltags werden miteinander vernetzt.
Sie tauschen untereinander Informationen aus und werden dadurch "intelligent", sagt Reding.
Doch dieser Vorteil kann sich schnell in einen Fluch verwandeln - dann nämlich, wenn die Daten heimlich ausgelesen werden.
In diesem Fall wird aus dem tollen Funkchip, der das Leben leichter macht, ein gefährlicher Schnüffelchip, der den Verbraucher auf Schritt und Tritt bespitzelt.
Alles halb so wild?
Alles nur übertriebene Befürchtungen notorischer Technikfeinde?
Weit gefehlt.
Schon vor Jahren, als die neue Technik noch in den Kinderschuhen steckte, wurde vor den "Spionagechips" gewarnt.
Auslöser war unter anderem ein Patent, das der US-Computerriese IBM im Jahr 2001 beantragt hatte.
Das Unternehmen wollte sich die Idee schützen lassen, Personen mit Hilfe von RFID-Chips durch Supermärkte, Flughäfen, Bahnhöfe oder Museen verfolgbar zu machen.
Das Patent wurde dem Unternehmen im November 2002 erteilt.
Alles halb so wild, wiegelte IBM damals ab. Man habe die "kritischen" Anwendungsmöglichkeiten in der Patentschrift nur der Vollständigkeit halber aufgezählt.
Das sei so üblich.
Tatsächlich halten sich die meisten Unternehmen beim Schnüffeln per RFID noch immer vornehm zurück.
Die Technik ist über Pilotprojekte bisher noch nicht hinausgekommen.
Doch die Versuchung sei groß, die Schnüffelmöglichkeiten, die die Technik bietet, auch tatsächlich auszuschöpfen, warnen Datenschützer - Bedenken, die man auch in Brüssel teilt.
Brüssel: "Keine versteckte Anwendung"
Eine heimliche Anwendung von RFID dürfe es in den Ländern der EU nicht geben, sagt Viviane Reding.
"Wenn es um personenbezogene Daten geht, müssen die europäischen Verbraucher die Gewissheit haben, dass ihre Privatsphäre auch in einem sich verändernden technischen Umfeld geschützt bleibt", fordert die streitbare EU-Kommissarin.
Die EU-Kommission hat deshalb Grundsätze beschlossen, auf die sich die Anwender der RFID-Technik verpflichten sollen.
Diese Grundsätze sollen die Privatsphäre der Verbraucher vor allzu neugierigen Schnüffelchips schützen und für alle europäischen Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen.
Die Verbraucher müssten auf den ersten Blick erkennen können, welche Artikel in den Geschäften mit RFID-Chips aufgerüstet sind, fordert die EU-Kommission.
Zu diesem Zweck soll ein europaweit einheitliches Hinweiszeichen eingeführt werden.
Beim Kauf einer gekennzeichneten Ware sollten die Chips noch im Geschäft "automatisch, umgehend und kostenfrei" deaktiviert werden.
Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn es der Kunde ausdrücklich wünscht.
Brüssel bleibt am Ball
Entscheidet sich ein Kunde gegen die Deaktivierung des RFID-Chips, sollten ihm einfache und klare Informationen bereitgestellt werden, "wann welche personenbezogenen Daten (z. B. Name, Adresse, Geburtsdatum) zu welchem Zweck verwendet werden".
Ihm sollten zudem Anlaufstellen genannt werden, bei denen er nähere Informationen bekommen kann.
Die Brüsseler Kommission fordert darüber hinaus Unternehmen und Behörden auf, vor der Verwendung von RFID-Chips "Folgeabschätzungen zum Datenschutz" durchzuführen.
Sie sollen dabei von den regionalen Datenschutzbehörden kontrolliert werden.
Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Brüsseler EU-Kommission über ihre Maßnahmen zur Verwirklichung der Empfehlungen zu unterrichten.
Auch die Kommission selbst bleibt beim Thema RFID am Ball.
Sie will die Folgen untersuchen, "die sich für die Unternehmen und Behörden, die RFID-Chips verwenden, und für die Bürger ergeben haben" und in drei Jahren einen entsprechenden Bericht vorlegen.
Quelle