Die 49 Jahre alte Angeklagte hatte dem vier Jahre alten Jungen im August 2006 aus Versehen eine tödliche Überdosis Glukoselösung injiziert. Am ersten Verhandlungstag bat sie die Mutter des Kindes unter Tränen und um Verzeihung.
Der tragische Unfall ereignete sich im Kinderkrankenhaus Wilhelmstift. Die Überdosis führte zu irreparablen Hirnschäden, so dass der kleine Patient vier Tage später auf der Intensivstation eines Kinderkrankenhauses starb. „Vielleicht können sie mir irgendwann einmal vergeben“, bat die 49 Jahre alte Angeklagte mit tränenerstickter Stimme die Mutter vor dem Amtsgericht Wandsbek. „Ich habe schwere Schuld auf mich genommen, die kann mir keiner nehmen.“
Der Junge war für einen eher harmlosen Eingriff in die Klinik gebracht worden: Bei einer ambulanten Operation wurde seine Vorhautverengung beseitigt. Doch bei der geplanten Entlassung am Abend war er nicht fit, sondern schläfrig, fiebrig und erbrach sich. Da das Kind seit dem Vortag nichts gegessen hatte, verordnete die Ärztin eine Zuckerlösung. „Ich wollte schnell helfen“, sagte die Angeklagte. Sie schloss das Kind an einen Tropf mit 40-prozentiger Glukose-Lösung an.
„Die tut ihm einfach gut“, hatte die Ärztin geantwortet, als die Mutter sie damals nach dem Grund für die Infusion fragte. Laut Dosieranleitung hätte der kleine Junge höchstens knapp elf Milliliter bekommen dürfen, rechnete der Richter vor. Die Angeklagte hatte damals nicht gerechnet, sondern geschätzt: Sie wollte ihm 25 Milliliter geben - rund 150 Prozent mehr.
Sie habe damals an dem High-Tech-Infusionsautomaten eine Halb-Liter-Flasche angestöpselt: „Ich habe es unterlassen, die Mengenbeschränkung auf 25 Milliliter einzustellen“, sagte sie. Denn eigentlich wollte sie nach drei Minuten das Gerät selber abschalten. Doch dann sei sie wegen eines Notfalls zunächst in die Ambulanz gerufen worden. Ein Kind hatte sich den Arm gebrochenen. Anschließend forderte noch ein weiterer Fall die Aufmerksamkeit der Ärztin, die vor Gericht sagte „Und ich habe an die verdammte Infusion nicht mehr gedacht. Ich hab's vergessen! Es tut mir so leid, aber ich hab's vergessen!“
Auch als sich der Zustand des kleinen Jungen in den nächsten Minuten dramatisch verschlechterte, habe sie das zunächst nicht mit einer tödlichen Zuckerdosis in Zusammenhang gebracht, sagte die Angeklagte. Sie habe nur das „Krampfen“ und die Blauverfärbung der Lippen des Jungen behandelt, die auf einen potenziell tödlichen Sauerstoffmangel hindeutete. Zusätzlich hätte die Ärztin aber auch Insulin verabreichen müssen, was sie versäumte.
Zu den Vorwürfen der Mutter, sie habe in jener Nacht das Notfall-Team des Krankenhauses mit den Worten: „Wir haben alles unter Kontrolle“ wieder weggeschickt, schwieg die Angeklagte.
Laut Staatsanwaltschaft kam es durch die Glukose-Überdosierung bei dem Vierjährigen zu einer Hirnschwellung und Einklemmung des Stammhirns mit irreparablen Hirnschäden. Er starb. Der Prozess wird fortgesetzt.
dpa, abendblatt.de
Aktualisiert am 21. April 2008 um 14:55